Olympia – Karriere-Highlight einer Schiedsrichterin

Anja Gersdorf aus Wersten erzählt von ihrem Abenteuer

Anja Gersdorf möchte diese Zeit niemals mehr missen. Die international agierende Schiedsrichterin mit Wohnsitz in Düsseldorf-Wersten hat Olympia 2021 aus nächster Nähe erlebt. Ihr sportlicher Höhepunkt in ihrer Zeit in Tokio war die Leitung des Tischtennis-Halbfinalspiels zwischen dem Chinesen Zhendong Fan und Yun Ju Lin aus Taiwan. Zudem hatte sie auch zwischendurch kurz Kontakt zu einigen Mitgliedern vom TEAM 2021 Düsseldorf. Was die Mutter von drei Kindern noch alles erlebt hat, erzählt Sie in unserem Interview.

Hallo Frau Gersdorf, wann haben Sie erfahren, dass Sie zu den Olympischen Spielen fahren werden?
Anja Gersdorf: Erfahren habe ich das ungefähr ein Jahr vor den ursprünglich angesetzten Spielen. Also 2019 sind die Nominierungen erfolgt. Man muss international tätiger Schiedsrichter sein, und es gibt noch einmal eine Unterscheidung. Die Internationalen Schiedsrichter Blue Badge sind die in der höchsten Klasse, die bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften dann eingesetzt werden. Zudem muss man sich über die Zeit beweisen, das wird kontrolliert. Nach der Anfrage an die Nationalverbände musste man sich dann bewerben. Ich habe mein Glück versucht, der nationale Verband hat mich ausgesucht, der Weltverband dann zugestimmt.

Die Verschiebung der Spiele hat das dann nicht beeinflusst?
Gersdorf: Man fürchtet dann so bisschen, dass sich etwas ändert, als die Spiele verschoben wurden. Aber dann kam das Signal, dass wir auch ein Jahr später dabei sein dürfen.

Bedeutet Olympia für die Schiedsrichter genauso viel wie für die Sportler?
Gersdorf: Die Spiele sind auch für uns ein Traum und der Höhepunkt der Karriere. Und bei Tischtennis-Schiedsrichtern ist es so, dass Olympia nur einmal möglich ist. Wer dran war, fährt nicht noch einmal. Dann sind andere an der Reihe.

Wurde Olympia durch die Pandemie entwertet?
Gersdorf: Nein. Sportlich gab es keine Abstriche. Wenn man das Drumherum betrachtet, stellt man sich unter Olympia etwas anderes vor. So etwa, dass man auch andere Sportarten sieht, etwas von der Stadt mitnimmt und das Miteinander mitbekommt. Wir waren in einer Tischtennis-Bubble.

Anja Gersdorf beim Halbfinale der Herren-Konkurrenz. Foto: Rèmy

Das heißt, Sie haben Tokio außerhalb des Sports nicht genießen können?
Gersdorf: Überhaupt nicht! Wir sind im Hotel gewesen, im Bus zwischen Hotel und Wettkampfstätte, in der Halle – und sonst nirgendwo. Frühstück gab es im Hotel, den Rest in der Halle, wie etwa Sandwiches. Es war okay, kein gekochtes Essen, wir hatten Wasserkocher für die Tütensuppen.

Und wie war der Kontakt mit den Sportlern?
Gersdorf: Die Sportler waren im Olympischen Dorf untergebracht, alle anderen waren im Hotel, und die Sportler hat man am Tisch gesehen. Nur, wenn man sich in der Halle über den Weg gelaufen ist, konnten wir uns kurz austauschen.

Wie wurden Sie eingesetzt und wie hat Ihnen das Turnier sportlich gefallen?
Gersdorf: Zu Beginn wurde an vier Tischen gespielt mit einem großen Teilnehmerfeld, und alle Unparteiischen wurden eingesetzt. Dass man als deutscher Schiedsrichter nicht bei Spielen des deutschen Teams am Tisch sitzt, ist klar. Die Qualität unter den eingesetzten Schiedsrichtern war auch groß. Ich hatte ein ganz tolles Halbfinale mit sieben Sätzen, das war extrem packend. Das Spiel zwischen Zhendong Fan und Yun Ju Lin hatte zwei Sieger verdient. Ich bekomme schon mit, welche Emotionen da im Spiel sind. Ich bin ja auch am nächsten dran. Aus Schiedsrichter-Sicht war es kein anstrengendes Turnier, und es war sehr fair. Nur bei den Aufschlägen musste man zwar genau hinsehen, und mit einer klaren Ansage verläuft das dann am Tisch vernünftig. Es ist halt kein Fußball.

Die Zuschauer haben aber auch Ihnen gefehlt, oder?
Gersdorf: Natürlich, es war sehr schade und sehr still. Ich mag das gerne, es hat mir gefehlt, und die Sportler hätten bei ihren Leistungen ein großartiges Publikum verdient. Es war ein einzigartiges Turnier, nur die Stimmung fehlte.

Auch die Netzhöhe wird genau überprüft. Foto: Rèmy

Wie ist Ihre Verbindung als Düsseldorferin zur Borussia?
Gersdorf: Insofern, dass ich bei Spielen von Borussia Düsseldorf häufig eingesetzt werde. Es ist ja quasi vor der Haustüre. Die niedrigsten Fahrtkosten im Verband verursache ich wohl.

Sie sind hauptberuflich tätig als Schiedsrichterin?
Gersdorf: Nein, das ist ein Ehrenamt. Es gibt Bestrebungen, ein Profi-Schiedsrichter-Wesen zu entwickeln. Hauptberuflich bin ich Mutter von drei Kindern und Hausfrau. Ansonsten arbeite ich in der Uni-Verwaltung. Ein, zweimal haben mich die Kinder wohl bei Olympia gesichtet. Da werden wir bei der Wahl der Seite und Balles gezeigt, danach werden wir normalerweise rausgeschnitten.

Wie sind Sie zu dieser Aufgabe überhaupt gekommen?
Gersdorf: Ich spiele immer noch Tischtennis, aber am anderen Ende des Leistungsspektrums, in der Damen-Bezirksklasse. 1991 habe ich den Bezirks-Schiedsrichterschein aus Neugierde gemacht, 1993 habe ich beim Westdeutschen Verband angefangen, 2008 die Prüfung auf nationaler Ebene absolviert, 2010 wurde es international. Und 2012 kam die Blue Badge-Qualifikation dann dazu.

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